Schlagwortarchiv für: Steuerstrafrecht

Die Verwendung manipulierbarer Registrierkassen alter Bauart rechtfertig nicht stets eine Verwerfung der Gewinnermittlung und Vollschätzung des Steuerpflichtigen

Auch bei der Vornahme von Schätzungen ist der das gesamte öffentliche Recht durchziehende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Der Bundesfinanzhof hat in diesem Zusammenhang im Falle einer Vollschätzung eines Restaurantbetriebes klargestellt (BFH, Urt. v. 28.11.2023 – X R 3/22):

„Zur Begründung einer Schätzungsbefugnis dem Grunde und der Höhe nach darf der Tatrichter sich nicht mit der bloßen Benennung formeller oder materieller Mängel begnügen, sondern muss diese auch nach dem Maß ihrer Bedeutung für den konkreten Einzelfall gewichten.

Eine Vollschätzung unter vollständiger Verwerfung der Gewinnermittlung des Steuerpflichtigen ist nur zulässig, wenn die festgestellten Mängel gravierend sind.

Die Verwendung eines objektiv manipulierbaren Kassensystems stellt grundsätzlich einen formellen Mangel von hohem Gewicht dar, da in einem solchen Fall systembedingt keine Gewähr für die Vollständigkeit der Einnahmenaufzeichnungen gegeben ist.

Das Gewicht dieses Mangels kann sich in Anwendung des Verhältnismäßigkeits- und Vertrauensschutzgrundsatzes im Einzelfall auf ein geringeres Maß reduzieren. Das gilt insbesondere dann, wenn das Kassensystem zur Zeit seiner Nutzung verbreitet und allgemein akzeptiert war und eine tatsächliche Manipulation unwahrscheinlich ist.

Der in der Verwendung einer solchen objektiv manipulierbaren elektronischen Registrierkasse einfacher Bauart liegende formelle Mangel begründet keine Schätzungsbefugnis, wenn der Steuerpflichtige in überobligatorischer Weise sonstige Aufzeichnungen führt, die eine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit der Einnahmenerfassung bieten.“

Ein Nachweis für eine tatsächliche Verkürzung von Umsätzen lag im entschiedenen Fall nicht vor. Das Finanzgericht hatte – so der BFH – ausdrücklich festgestellt, dass kein Nachweis für eine tatsächliche Manipulation der Kasse durch den Kläger vorliegt. Ein solcher ist für eine Hinzuschätzung allerdings auch keine Voraussetzung. Eine seltene Ausnahme hiervon erwähnt der BFH, sieht sie im entschiedenen Fall aber nicht als gegeben an:

„Darüber hinaus begründet selbst die Verwendung einer objektiv manipulierbaren Kasse unter engen Voraussetzungen gar keine Schätzungsbefugnis (vgl. zu dieser Möglichkeit bei Registrierkassen einfacher Bauart bereits Senatsbeschlüsse vom 11.01.2017 – X B 104/16, BFH/NV 2017, 561, Rz 37 und vom 23.02.2018 – X B 65/17, BFH/NV 2018, 517, Rz 35). Dies wäre vor allem dann der Fall, wenn der Steuerpflichtige in überobligatorischer Weise sonstige Aufzeichnungen führt, die eine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit der Einnahmenerfassung bieten. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall allerdings nicht erfüllt. […] Der Kläger hätte allerdings durch den überobligatorischen Ausdruck des GT1-Speichers in seinen Z1-Bons die Möglichkeit gehabt, den in der objektiven Manipulierbarkeit des Z1-Zählers liegenden formellen Mangel seiner Aufzeichnungen gewissermaßen auszugleichen. Hiervon hat er indes keinen Gebrauch gemacht.“

Dennoch musste das Urteil des Finanzgerichts insgesamt der Aufhebung unterliegen:

„Zwar ist das Revisionsgericht in Schätzungsfällen auf die Überprüfung von Rechtsfehlern beschränkt. Allerdings muss es die Schätzung nachvollziehen können, um zu überprüfen, ob das FG bei der Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung von sachfremden Erwägungen ausgegangen ist. Das Tatsachengericht hat darzulegen, wie und dass es seine Überzeugung in rechtlich zulässiger und einwandfreier Weise gewonnen hat (vgl. BFH-Urteil vom 16.12.2021 – IV R 1/18, BFH/NV 2022, 305, Rz 48, m.w.N.). Hieran fehlt es derzeit in Bezug auf die in diesem Zusammenhang vom FG angenommene Manipulationsmöglichkeit.“

Vorsatz zu § 266a StGB bei Hinweis der Lohnsteuer-Außenprüfung auf fehlende Versteuerung von Entgeltbestandteilen

Die Verpflichtung zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen richtet sich grundsätzlich nach der Steuerpflicht. Allerdings finden Lohnsteuer-Außenprüfungen und Sozialversicherungsprüfungen nach § 28p SGB IV durch die Deutsche Rentenversicherung nicht immer zur gleichen Zeit oder für die gleichen Prüfzeiträume statt. Arbeitgeber sollten sich deshalb nicht auf einen scheinbar „automatischen Informationsaustausch“ zwischen den prüfenden Behörden verlassen, sondern gegebenenfalls selbst aktiv die Auswirkungen der Prüfungsergebnisse auf das jeweils andere Rechtsgebiet umsetzen.


Die Einstufung des sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelts basiert auf dem Steuerrecht, insbesondere auf §§ 14, 17 SGB IV in Verbindung mit § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 der Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV). Verpflichtungen, die aus einer Lohnsteuerprüfung hervorgehen, resultieren normalerweise auch in Beitragspflichten zur Sozialversicherung.


In der Praxis zeigt sich oft, dass die Ergebnisse und Bescheide der Prüfungen nicht gründlich genug ausgewertet werden. Besonders die Erläuterungen zu den Bescheiden werden oft ignoriert. Arbeitgeber müssen daher alle Prüfberichte und Bescheide bezüglich der geprüften Zeiträume und festgestellten Ergebnisse sorgfältig überprüfen und bewerten. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass die Behörden die Informationen untereinander austauschen, da dies bereits durch § 30 der Abgabenordnung (AO) verboten ist. Das Übersehen der Erläuterungen in den Bescheiden und das einfache Ablegen der Dokumente kann kostspielige Folgen nach sich ziehen.

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg entschied am 24. Mai 2023 (Aktenzeichen: L 7 BA 2862/20), dass mindestens von bedingtem Vorsatz auszugehen ist, was die 30-jährige Verjährungsfrist nach § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV in Kraft setzt. Das Gericht stellte fest, dass insbesondere die Versteuerung geldwerter Vorteile aus der Nutzung eines Firmenwagens ein bekannter Sachverhalt ist, dessen steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen den Geschäftsführern bewusst sein müssen. Wenn ein Arbeitgeber nach entsprechenden Feststellungen einer Lohnsteuer-Außenprüfung keine Maßnahmen ergreift, um diese Ergebnisse auch der DRV mitzuteilen, und somit akzeptiert, dass beitragsrechtliche Forderungen offenbleiben, liegt laut Gericht ein bedingter Vorsatz vor.

Das Gericht betonte auch, dass es Aufgabe der Unternehmensverantwortlichen ist, sicherzustellen, dass wesentliche Informationen an die entsprechenden Entscheidungsträger weitergegeben werden. Dies erfordert einen Informationsfluss von unten nach oben und horizontal. Unterlassungen können als Organisationsverschulden gewertet werden. Insbesondere in Fällen wie der Privatnutzung von Firmenfahrzeugen, einem steuerlich und beitragsrechtlich einfachen Sachverhalt, ist der Nachweis vorsätzlichen Verhaltens schwer zu widerlegen, vor allem wenn im Bericht der DRV angegeben wird, dass die Feststellungen der Lohnsteuerprüfung noch ausstehen.

Sollte bewusste oder grobe Fahrlässigkeit vorliegen, würde dies nicht zur Eröffnung der 30-jährigen Verjährungsfrist führen. Dies könnte beispielsweise bei weniger verbreiteten Vergütungsbestandteilen der Fall sein, bei denen Steuer- und Beitragspflicht nicht synchron geregelt sind.

Für den Nachweis des bedingten Vorsatzes ist erforderlich, dass das Bestehen eines entsprechenden Beitragsrückstands als möglich angesehen und die Nichtabführung der Beiträge in Kauf genommen wurde.

Das Verhalten des Geschäftsführers kann auch strafrechtliche Folgen haben, etwa ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gemäß § 266a StGB. Da der Straftatbestand strikt sozialrechtsabhängig ist, hängt viel von den Feststellungen zum Vorsatz ab. Ein wichtiger Punkt ist auch die strafrechtliche Verjährung, die regulär fünf Jahre beträgt und mit dem Verstreichen des jeweiligen Fälligkeitszeitpunkts ohne erfolgte Beitragsabführung beginnt. Daher können oft Beiträge zur Sozialversicherung nachgefordert werden, während eine strafrechtliche Verfolgung möglicherweise nicht mehr möglich ist.

Einführung der Strafbarkeit der Steuerhinterziehung in Dubai und Verlängerung der Verjährung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe wegen Steuerhinterziehung

Das Landgericht Lübeck hat mit Beschluss vom 11.01.2024 – 6 KLs 12/12 – die Frist für die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe wegen Steuerhinterziehung um fünf Jahre verlängert. Der Verurteilte hatte sich vor Vollstreckung der Strafe nach Dubai abgesetzt, wo er sich bis heute aufhält. Nach § 79b StGB kann das Gericht die Verjährungsfrist vor ihrem Ablauf auf Antrag der Vollstreckungsbehörde einmal um die Hälfte der gesetzlichen Verjährungsfrist verlängern, wenn der Verurteilte sich in einem Gebiet aufhält, aus dem seine Auslieferung oder Überstellung nicht erreicht werden kann.

Darüber hinaus ist erforderlich, dass das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen von einem fortdauernden Bedürfnis nach Vollstreckung der Freiheitsstrafe ausgeht. Nach Auffassung des Landgerichts Lübeck ist insbesondere bei besonders schweren Fällen der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 AO davon auszugehen, dass auch noch nach längerer Zeit ein Bedürfnis für die die Strafvollstreckung besteht. Dies habe der Gesetzgeber auch durch die (beispiellose und bei der absoluten Verjährung von 37,5 Jahren nach § 376 Abs. 3 AO) an die Frist für Totschlag heranreichende) Verlängerung der Verfolgungsverjährung der besonders schweren Steuerhinterziehung zum Ausdruck gebracht.

Gegen den Beschluss des Landgerichts ist nach § 462 Abs. 3 S. 1 StPO die sofortige Beschwerde statthaft.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Lübeck wird die am 14. Januar 2024 ablaufende Frist zur Vollstreckung der Strafe aus dem Urteil des Landgerichts Lübeck vom 2. August 2013 gemäß § 79b StGB um die Hälfte, also bis zum 14. Januar 2029, verlängert.

Das Landgericht Lübeck hat den deutschen Steuerstraftäter mit seit 15.1.2014 rechtskräftigem Urteil wegen Steuerhinterziehung in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Bei fünf der acht Steuerhinterziehungen handelte es sich um besonders schwere Fälle. Insgesamt belief sich der von vom Steuerhinterzieher verursachte Steuerschaden auf rund eine Million Euro.

Der Verurteilte wurde am 22.2.2014 zum Strafantritt geladen. Nachdem der Steuerhinterzieher die Strafe nicht antrat, erließ die Staatsanwaltschaft Lübeck am 17.3.2014 einen Haftbefehl. Die Auswertung der Verbindungsdaten eines Mobilfunkanschlusses der Ehefrau des Verurteilten ergab als Roaming-Partner die Vereinigten Arabischen Emirate (nachfolgend: VAE). Eine Überprüfung der Einwanderungsdaten ergab, dass sich der der Steuerhinterzieher seit dem 13.5.2014 in den VAE aufhielt.

Zwischen Deutschland und den VAE besteht kein Auslieferungsabkommen. Nach den vom Bundesministerium der Justiz herausgegebenen Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten ist eine Auslieferung auf vertragsloser Grundlage möglich, wobei die Auslieferungsersuchen auf dem diplomatischen Geschäftsweg zu übermitteln sind. Dem entsprechend ersuchte die Staatsanwaltschaft Lübeck die Justizbehörden der VAE mit Schreiben vom 30.7.2015, übersandt mit Verbalnote der Deutschen Botschaft vom 11.4.2016, um Auslieferung des Verurteilten.

Am 25.11.2016 wurde der Steuerhinterzieher aufgrund der internationalen Fahndung in Dubai festgenommen. Mit Verbalnote der Deutschen Botschaft vom 8.1.2017 wurden weitere Unterlagen vorgelegt und die Regierung der VAE nochmals um Auslieferung ersucht.

Mit Schreiben seines anwaltlichen Vertreters vom 27.12.2016 gab der Verurteilte an, er wolle sich freiwillig der Strafvollstreckung stellen, um im Justizvollzug als Selbststeller behandelt zu werden, und bat um Aussetzung des Haftbefehls. Mit E-Mail an die Deutsche Botschaft vom 27.1.2017 bat er um Unterstützung bei seinem Vorhaben, nach Deutschland einzureisen, ohne eine Verhaftung befürchten zu müssen, so dass er sich am Flughafen in Hamburg stellen könne. In dieser E-Mail führte er aus, dass ihn die Ladung zum Haftantritt im Februar 2014 im Ausland erreicht habe; er sei ihr in Panik und (vermeintlicher) Sicherheit nicht nachgekommen und habe sich entschlossen, vorerst im Ausland zu verweilen. Seine schwangere Ehefrau und seine beiden Kinder seien bereits wieder nach Deutschland gezogen.

Das Justizministerium der VAE wies mit Schreiben vom 6.2.2017 darauf hin, dass im Fall von des Steuerhinterziehers der Grundsatz der doppelten Strafbarkeit nicht erfüllt sei, da Steuerhinterziehung in den VAE nicht strafbar sei.

Im Juni 2017 teilte die Staatsanwaltschaft Dubai mit, dass der Verurteilte bei seiner Vernehmung die Frage, ob er freiwillig einer eiligen Überstellung an die deutschen Behörden zustimmen würde, verneint und seitdem auch keinen Antrag auf freiwillige Überstellung an die deutschen Justizbehörden gestellt habe. Im August 2017 gab das Deutsche Generalkonsulat an, dass der Verurteilte mehrmaligen Aufforderungen, dort vorzusprechen, nicht nachgekommen sei; sein Reisepass sei in einem dort anhängigen Verfahren von den emiratischen Behörden sichergestellt worden.

Die Staatsanwaltschaft Lübeck nahm mit Schreiben an das Justizministerium der VAE vom 18.12.2017 ihr Auslieferungsersuchen mit der Begründung zurück, dass sie davon ausgehe, dass eine Bewilligung nicht möglich sei.

Am 11.10.2018 teilte der Steuerhinterzieher dem Landeskriminalamt Schleswig-Holstein telefonisch mit, dass er wisse, dass er sich jederzeit an die Deutsche Botschaft wenden könne, um mit einem Passersatz kontrolliert nach Deutschland zu reisen.

Im Februar 2020 gab das Auswärtige Amt an, dass der Steuerhinterzieher weiterhin in Dubai wohnhaft sei. Ihm sei wegen nicht erfüllter Verbindlichkeiten die Ausreise aus den VAE gerichtlich untersagt worden. Hintergrund seien die Ausstellung ungedeckter Schecks, zivilrechtliche Forderungen und ein nicht bezahltes Bußgeld.

Der Steuerhinterzieher erhielt am 10.1.2021 vom deutschen Generalkonsulat in Dubai einen bis 5.12.2030 gültigen Reisepass.

Die Staatsanwaltschaft Lübeck beantragte am 15.3.2023, die Vollstreckungsverjährungsfrist um die Hälfte der gesetzlichen Verjährungsfrist zu verlängern. Der hierzu angehörte Verurteilte gab über seinen anwaltlichen Vertreter an, dass er weiterhin zur freiwilligen Ausreise aus Dubai und sofortigen Stellung zum Haftantritt bereit sei; die Ausreise scheitere jedoch an der gegen ihn verhängten Ausreisesperre.

Im Mai 2023 teilte das Bundesamt für Justiz mit, dass mit der Einführung von Steuern in den VAE auch die Strafbarkeit von Steuerhinterziehung festgelegt worden ist. Die Staatsanwaltschaft Lübeck stellte daraufhin am 6.7.2023 ein erneutes Auslieferungsersuchen auf dem diplomatischen Geschäftsweg und bat unter Hinweis auf die mit Ablauf des 14.1.2024 eintretende Vollstreckungsverjährung um Mitteilung bis Ende Oktober 2023, ob das Ersuchen bewilligt werden wird. Bislang liegt keine Antwort seitens des Bundesamtes für Justiz oder den VAE vor. Das Auswärtige Amt hat seine Wiedervorlage auf den 20.1.2024 verfügt.

Auf Anfrage des Landgerichts Lübeck teilte das Bundesamtes für Justiz mit E-Mail vom 11.12.2023 mit, dass es bislang in keinem Fall eine erfolgreiche Auslieferung aus den VAE gegeben habe.

Das Landgericht Lübeck hat hierüber entschieden:

Die Vollstreckungsverjährungsfrist ist auf Antrag der Staatsanwaltschaft Lübeck gem. § 79b StGB um fünf Jahre zu verlängern.

Die Frist kann vor ihrem Ablauf auf Antrag der Vollstreckungsbehörde um die Hälfte der gesetzlichen Verjährungsfrist verlängert werden, wenn der Verurteilte sich in einem Gebiet aufhält, aus dem seine Auslieferung oder Überstellung nicht erreicht werden kann.

Die Vollstreckungsverjährungsfrist läuft bis einschließlich zum 14.1.2024, ist also noch nicht abgelaufen. Sie beträgt gemäß § 79 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 5 StGB zehn Jahre ab Rechtskraft der Entscheidung, hier dem 15.1.2014. Sie endet mit Ablauf des Tages, der kalendermäßig dem Tag des Fristbeginns vorgeht, hier also dem 14.1.2024.

Der Verurteilte befindet sich in einem Gebiet, aus dem seine Auslieferung oder Überstellung nicht erreicht werden kann.

Mangels Auslieferungsabkommens besteht kein Rechtsanspruch gegen die VAE auf Auslieferung [des Steuerhinterziehers]. Daher können die VAE lediglich auf diplomatischem Weg um seine Auslieferung ersucht werden. Dies war bis zur Einführung des Straftatbestandes der Steuerhinterziehung in den VAE wenig erfolgversprechend. Wie hoch die Erfolgsaussichten nunmehr sind, vermag die Kammer nicht zu beurteilen; jedenfalls wird über das entsprechende Gesuch der Staatsanwaltschaft Lübeck nicht vor Ablauf der Vollstreckungsverjährungsfrist entschieden werden.

Dabei hat die Staatsanwaltschaft Lübeck – bislang erfolglos – alles Erforderliche und zumutbar Mögliche unternommen, um einen Strafantritt [des Steuerhinterziehers] innerhalb der Vollstreckungsverjährungsfrist zu bewirken.

Bei Ausübung pflichtgemäßen Ermessens ist die Vollstreckungsverjährungsfrist zu verlängern.

Hierdurch könnte die durch Einführung der Strafbarkeit der Steuerhinterziehung in Dubai gestiegene Wahrscheinlichkeit einer Auslieferung [des Steuerhinterziehers] noch genutzt werden.

Das Bedürfnis nach Vollstreckung der vom Landgericht Lübeck gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe besteht fort. [Der Steuerhinterzieher] hat Steuern in erheblicher Höhe von rund 1.000.000 € verkürzt. Bei fünf der ausgeurteilten Taten handelte es sich um Steuerhinterziehungen jeweils in besonders schwerem Fall. Das Interesse des Staates daran, besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung nach langer Zeit noch zu sanktionieren, hat der Gesetzgeber dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er die in § 376 Abs. 1 AO geregelte Verfolgungsverjährungsfrist ab 29.12.2020 auf 15 Jahre verlängert hat.

Weiterhin rechtfertigt das [des Steuerhinterziehers] nach seiner Verurteilung gezeigte Verhalten die Verlängerung der Vollstreckungsverjährungsfrist. Soweit ersichtlich ist der [Steuerhinterzieher] ausschließlich nach Dubai verzogen, um sich der Strafvollstreckung zu entziehen. Seine Familie ist längst wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Seiner Behauptung, nach Deutschland kommen und sich hier freiwillig der Strafvollstreckung stellen zu wollen, hat er, bis die Ausreisesperre gegen ihn verhängt wurde, keine entsprechenden Taten folgen lassen. Aus seinen jetzigen Lebensumständen ergeben sich keine Gesichtspunkte, welche eine Verlängerung der Verjährungsfrist unbillig erscheinen ließen. Vielmehr spricht der Hintergrund der mittlerweile gegen ihn verhängten Ausreisesperre (Ausstellung ungedeckter Schecks, zivilrechtliche Forderungen und ein nicht bezahltes Bußgeld) dafür, dass es ihm bisher nicht gelungen ist, sich eine solide Lebensgrundlage aufzubauen.

Die gesetzliche Verjährungsfrist beträgt vorliegend zehn Jahre, die Verlängerung erfolgt somit um fünf Jahre.