Der Steuerpflichtige hat die tatsächlich entstandenen Steuern zu zahlen. Insbesondere in Schätzungsfällen weicht der Betrag der nachzuentrichtenden Steuern jedoch regelmäßig vom Hinterziehungsbetrag und Steuerschaden im strafrechtlichen Sinne ab.
Denn Besteuerungsverfahren läuft eigenständig und gleichrangig zum Steuerstrafverfahren nach seiner eigenen Verfahrensordnung ab. Während im Steuerstrafverfahren die Steuerhinterziehung unter Beachtung des Zweifelssatzes („in dubio pro reo“) auch hinsichtlich der konkreten Höhe bewiesen werden muss, gelten im Besteuerungsverfahren die (Beweislast-)Regeln der Abgabenordnung. Zwar muss auch hiernach das Finanzamt dem Grunde nach die Erfüllung des steuerlichen Tatbestandes beweisen. Kommt jedoch der Steuerpflichtige seiner Mitwirkungspflicht im Besteuerungverfahren nicht vollumfänglich nach, geht dies zu seinen Lasten.
Im Ergebnis reicht es daher bei ‚unverteidigten‘ Steuerpflichtigen häufig aus, dass das Finanzamt einen mehr oder weniger plausiblen Sachverhalt schildert, nach dem die Steuerschuld entstanden ist. Kann der Steuerpflichtige diesen Sachverhalt nicht widerlegen, werden das Finanzgericht und der Bundesfinanzhof die Entscheidung des Finanzamts halten. Konsequenz ist die Unterminierung des strafrechtlichen Schweigerechts, welche der Gesetzgeber bewußt in § 393 Abs. 1 der Abgabenordnung festgelegt hat.
So bleibt auch die steuerrechtliche Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen im Besteuerungsverfahren bestehen. Nach der Einleitung des Strafverfahrens sind gemäß § 393 Abs. 1 S. 3 AO die steuerlichen Pflichten, also auch die Abgabe von Steuererklärungen, zwar nicht mehr mit Zwangsmitteln durchsetzbar. Konsequenz einer mangelnden Mitwirkung ist jedoch in der Regel insbesondere die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 AO. Auch wenn sog. Strafschätzungenunzulässig sind (vgl. BFH BStBl. II 2001, 381), kann auf Grundlage des § 162 AO doch erheblicher Druck auf den Beschuldigten ausgeübt werden. Denn die einer Schätzung „naturgemäß anhaftenden Unsicherheiten“ gehen im Besteuerungsverfahren, anders als im Steuerstrafverfahren, zu Lasten des Steuerpflichtigen. Daneben kann die Verpflichtung zur Abgabe richtiger (auch belastender) Steuererklärungen für die Folgejahre eine Selbstbelastungsgefahr begründen.
In der Mehrzahl der Fälle beinhaltet die Verteidigung im Steuerstrafverfahren daher auch die Vertretung im Steuerstreit, ggfls. auch in Zusammenarbeit mit dem Steuerberater des Mandanten. Die beabsichtigte oder durchgeführte Festsetzung von Steuern im Zusammenhang mit Steuerstrafverfahren ist häufig fehlerbehaftet. Bei den Finanzämtern liegt insofern Unwille bzw. Unfähigkeit zur konsequenten Anwendung der Abgabenordnung, insbesondere hinsichtlich der Feststellung der verfahrensrelevanten Tatsachen, vor. Daher sind, auch wenn eine Schätzung nach § 162 AO im Einzelfall nicht abgewehrt werden kann, die Erfolgsaussichten hinsichtlich der Reduzierung der Schätzbeträge häufig gegeben.
Hinterziehungszinsen
Die hinterzogenen Steuern sind gemäß §§ 235, 238 AO mit 0,5 Prozent für jeden vollen Monat zu verzinsen. Die Zinsen sind steuerlich nicht abzugsfähig (§§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8a EStG, 12 Nr. 3 EStG, 10 Nr. 2 KStG).
Haftung beim Vorwurf der Steuerhinterziehung
Gemäß § 69 AO haften die in den §§ 34, 35 AO genannten Personen für Steuerhinterziehungen der von Ihnen vertretenen Steuerpflichtigen. Die Haftung betrifft also die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen (AG-Vorstand, GmbH-Geschäftsführer etc.) und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen (§ 34 Abs. 1) sowie derjenige, der als Verfügungsberechtigter im eigenen oder fremden Namen auftritt soweit er die Pflichten eines in § 34 Abs. 1 genannten Vertreters rechtlich und tatsächlich erfüllen kann.
Wer nicht selbst Steuerschuldner ist, kann gemäß § 71 AO in Anspruch genommen werden. Danach haftet, wer eine Steuerhinterziehung begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt für die hinterzogenen Steuern bzw. zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie die Hinterziehungszinsen gemäß § 235 AO. Dies kann etwa den Steuerberater betreffen, der dem Steuerhinterzieher (auch nur psychische) Beihilfe leistet. Die Haftung nach § 69 und 71 AO kann parallel bestehen.
Im Zusammenhang mit Umsatzsteuerkarussellen kommt eine Haftung gemäß § 25d UStG in Betracht.