Unbillige Weisungen sind unverbindlich
Erfreulicherweise hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) seine Rechtsprechung bezüglich der vorläufigen Befolgung unzumutbarer Weisungen bis zu einer gerichtlichen Entscheidung aufgegeben. Die nun überholte Rechtsprechung sah vor, dass Weisungen des Arbeitgebers die „nur“ wegen mangelnder Zumutbarkeit rechtswidrig waren dennoch – trotz ihrer Rechtswidrigkeit – bis zu einer gerichtlichen Klärung zu befolgen waren.
Weisungen des Arbeitgebers hinsichtlich Arbeitsinhalt, Arbeitsort oder der zeitlichen Lage der Arbeitszeit können aus unterschiedlichen Gründen rechtswidrig sein. Eine Weisung kann zunächst gegen die Inhalte des Arbeitsvertrags, einer Betriebsvereinbarung, eines Tarifvertrags oder gegen ein Gesetz verstoßen und ist folglich rechtswidrig. Andererseits können Weisungen auch rechtswidrig sein, wenn sie einseitig lediglich den Arbeitgeberinteressen dienen.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass eine arbeitsrechtliche Weisung nach § 106 Satz 1 Gewerbeordnung für seine Rechtmäßigkeit zwei rechtliche Voraussetzungen erfüllen muss:
Der Arbeitgeber muss hinsichtlich Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung sein ihm eingeräumtes Ermessen rechtskonform und ausgewogen ausüben und die Weisung darf nicht gegen Bestimmungen aus dem Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder das Gesetz verstoßen.
Bisherige Rechtsauffassung des 5. Senats des BAG
Der 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts war seit 2012 der zweifelhaften und umstrittenen Auffassung, dass Arbeitnehmer rechtswidrige Weisungen nur dann verweigern dürfen, wenn diese gegen Rechtsvorschriften verstoßen. Sofern die Arbeitsanweisung lediglich unbillig war, so war diese gemäß der Rechtsprechung des BAG bis zur gerichtlichen Klärung vorläufig zu befolgen.
Sowohl die Literatur, als auch die Instanzgerichte teilten die Rechtsauffassung des 5. Senates des BAG nicht. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass sich Gerichtsverfahren über die Billigkeit einer Arbeitsanweisung jahrelang hinziehen können und der Arbeitnehmer zwischenzeitlich die rechtswidrige Weisung zu befolgen hätte.
Änderung der Rechtsprechung
Aufgrund dieser berechtigten Kritik an der höchstrichterlichen Rechtsprechung fragte im Sommer 2017 der 10. Senat des BAG beim 5. Senat an, ob er an seiner bisherigen Rechtsprechung zur vorläufigen Verbindlichkeit unbilliger Weisungen festhalten wolle.
Hintergrund der Anfrage des 10. Senats war ein dort verhandelter Streitfall, wonach ein Arbeitnehmer ohne erkenn- oder belegbaren Grund von seinem Arbeitgeber von Dortmund nach Berlin versetzt wurde. Der Arbeitnehmer wollte nicht in Berlin arbeiten und wurde folglich mehrfach abgemahnt. Da auch dies nichts änderte wurde dem Mitarbeiter fristlos gekündigt.
Der Arbeitnehmer klagte gegen die Versetzung und die Abmahnungen, da er der Auffassung war, dass die Versetzung unbillig sei. Entgegen der Auffassung des 5. Senats des BAG bestand nach seiner Meinung keine Pflicht diese zu befolgen. Eine vom Arbeitgeber behauptete Arbeitsverweigerung kann es folgerichtig nicht gegeben haben. Die ersten beiden Instanzen konnte der Arbeitnehmer gewinnen – ebenso wie die in einem weiteren Verfahren erhobene Kündigungsschutzklage.
Infolge der Anfrage des 10. Senats und der massiven und guten Gründe der Instanzrechtsprechung und der Literatur beugte sich der 5. Senat mit Beschluss vom 14.09.2017, Az. 5 AS 7/17 der Forderungen die Rechtsprechung zu korrigieren.
Hierdurch hat der 5. Senat eine notwendige Korrektur seiner bisherigen Rechtsprechung zum Vorteil der Arbeitnehmer vorgenommen. Da es keine rechtliche Begründung gibt Weisungen unterschiedlich zu behandeln je nachdem ob sie gegen Rechtsvorschriften verstoßen oder „lediglich“ unbillig sind, ist die Entscheidung vollumfänglich zu begrüßen.
Sollten Sie selbst in der Situation sein, dass möglicherweise eine an Sie ergangene Weisung rechtswidrig ist oder zumindest so erscheint, so stehen wir Ihnen gerne zur Beantwortung Ihrer Fragen zur Verfügung.